Ein 74-jähriger Mann kam über die Notaufnahme mit schwerer Exazerbation einer COPD, mit dekompensierter Linksherzinsuffizienz und mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Er musste auf der Intensivstation beatmet werden und hatte ein extrem schwieriges und langdauerndes Weaning; ein Tracheostoma wurde angelegt. Er wurde vorübergehend dialysiert. Jetzt ist er mit einer ambulanten Atemhilfe über das Tracheostoma versorgt und soll wieder mobilisiert werden.
Der Patient ist sehr schwach und deshalb kaum an die Bettkante mobilisierbar. Die Atemnot ist nach Modifizierung der Beatmung unter Sauerstoffzufuhr sowie einer geringen Morphindosis erträglich. Durch die Herzinsuffizienz ist die tägliche orale Flüssigkeitszufuhr auf 750 bis 1000 ml eingeschränkt. Die Nierenretentionswerte steigen kontinuierlich an: Der Blutharnstoff liegt aktuell bei 283 mg/dl (Norm < 50 mg/dl).
Eine chronische Dialyse lehnt der Patient ebenso strikt ab wie eine ggf. erneute Aufnahme auf Intensivstation. Er ist bei klarem Bewusstsein und weiß, dass er in der Urämie sterben kann. Mit ihm, der Ehefrau und der Tochter wurde vom Stationsarzt darüber gesprochen; es besteht Einigkeit, der Erkrankung ihren natürlichen Verlauf zu lassen. Die ambulante Beatmung soll weitergeführt werden.
Nun taucht der Sohn des Patienten aus erster Ehe auf, der über viele Jahre kaum Kontakt mit dem Vater hatte. Er ist entsetzt darüber, dass die Ärzte und die Familie unseren Patienten »einfach so« sterben lassen wollen. Er kann das doch nicht mit ansehen und will sich vor Gericht als Betreuer einsetzen lassen.
ANALYSE: (a) Beschreiben Sie die Situation; (b) analysieren Sie den Fall anhand der Prinzipien von Beauchamp & Childress.
ABWÄGUNG: Welches Prinzip hat angesichts der Situation den Vorrang?
ENTSCHEIDEN Sie sich bitte: Welche Entscheidung dient am besten dem Patientenwohl?