Eine 55-jährige Frau liegt mit fortgeschrittener amyotropher Lateralsklerose [ALS] auf Station. Sie hat vor 5 Jahren ein Mammakarzinom überstanden (komplette Remission). Seither hat sich eine vorbestehende Depression verschlimmert, die psychiatrisch und psychotherapeutisch behandelt wird. Eine leichte Besserung der Stimmungslage und -Schwankung konnte erreicht werden.
Vor vier Jahren wurde eine ALS diagnostiziert, die seither langsam fortschreitet. Die Patientin hat in einer Patientenverfügung alle lebensverlängernden Maßnahmen abgelehnt (insbesondere künstliche Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr, alle Beatmungsformen). Ausdrücklich gewünscht wird palliativmedizinische Betreuung. Die Patientenverfügung wurde nach Beratung durch den behandelnden Nervenarzt geschrieben. Der Sohn (Rechtsanwalt) ist der Patientenvertreter.
Jetzt wird sie im Endstadium der Erkrankung aufgenommen. Nach Auskunft des Neurologen ist eine weitere kausale Therapie nicht mehr möglich. Zuhause hatte sie eine 24-Std.-Versorgung durch Familie, Freunde und Pflegedienst. Aktuell leidet sie sehr an Kontrakturen der Arme und Beine, Schmerzen beim Schlucken, Speichelfluss, Sprechstörung, pathologischem Weinen und Lachen, Kachexie, Atemnot bei kleinster Belastung. Die bekannte Depression ist mit Medikamenten kaum beherrschbar. Die Patientin ist ansprechbar aber nicht zustimmungsfähig.
Die Patientin ist verzweifelt und will das langsame und qualvolle Sterben nicht bei vollem Bewusstsein erleben müssen. Die Patientin, ihr Ehemann und der Sohn wünschen zusätzlich zur schon laufenden Therapie eine palliative Sedierung (»terminale Sedierung«), um die psychischen Symptome erträglich zu halten. Eine künstliche Flüssigkeitszufuhr oder Ernährung soll (entsprechend der Patientenverfügung) nicht erfolgen. Die Familie hat offensichtlich auch die Hoffnung, durch die Sedierung das Sterben zu beschleunigen.
ANALYSE: (a) Beschreiben Sie die Situation; (b) analysieren Sie den Fall anhand der Prinzipien von Beauchamp & Childress.
ABWÄGUNG: Welches Prinzip hat angesichts der Situation den Vorrang?
ENTSCHEIDEN Sie sich bitte: Welche Entscheidung dient am besten dem Patientenwohl?