Ein geistig und körperlich seit Geburt schwer behinderter Patient (38 J.) wurde über Monate hinweg langsam niereninsuffizient. Nach langen Diskussionen zwischen Familie, Heimleitung und Ärzten entschloss man sich, den Patienten ins chronische Dialyseprogramm aufzunehmen.
Der Patient versteht allerdings überhaupt nicht, was man mit ihm vorhat. Schon die Anlage eines arteriovenösen Unterarmshunts war von Aggression und Wutausbrüchen begleitet. Nur mit massivem körperlichen Einsatz des Dialysepersonals war die Punktion des Shunts und der Anschluss an das Dialysegerät möglich. Bei diesem ersten Dialysetermin erlitt er einen Kreislaufstillstand. Er wurde reanimiert und in unser Klinikum gebracht. Hier wurde ein großer Hinterwandinfarkt entdeckt und akut ein aorto-koronarer Venenbypass gelegt. Es scheint ein familiäres Risiko zu geben, Vater und Onkel hatten Herzinfarkte.
Zur Zeit wird er maximal intensivmedizinisch behandelt (Beatmung, extrakorporale Oxigenierung (ECMO, Dialyse, Kreislaufunterstützung). Die Entwöhnung von der ECMO macht inzwischen Fortschritte. Beatmung und eine kontinuierliche Dialyse werden fortgeführt. Der Patient scheint sich langsam zu erholen. Die Situation des Gehirns nach der Reanimation ist zur Zeit nicht sicher zu beurteilen; bei nachlassender Sedierung bewegt sich der Patient und reagiert auf Reize.
Es entsteht nun die Diskussion,
(a) ob man den Patienten in das chronische Dialyseprogramm aufnehmen soll und
(b) wie weit man intensivmedizinisch gehen will, z.B. wenn die erwartbaren Komplikationen auftreten sollten.
Andererseits will man aus ärztlicher Sicht nicht in den Verdacht geraten, nur wegen der geistigen Behinderungen eine sinnvolle Behandlung abzubrechen/einzuschränken. Die Familie bittet um eine medizinethische Beratung, die Meinungen in der Familie sind sehr geteilt. Eine Schwester des Patienten ist zur Betreuerin bestellt.
ANALYSE: (a) Beschreiben Sie die Situation; (b) analysieren Sie den Fall anhand der Prinzipien von Beauchamp & Childress.
ABWÄGUNG: Hat ein Prinzip angesichts der Situation den Vorrang?
ENTSCHEIDEN Sie sich bitte: Welche Entscheidung dient am besten dem Patientenwohl?